Meine Urgroßmutter Lina Posch hat im August 1945 ihre persönlichen Erlebnisse auf den letzten Seiten eines alten Poesie-Album niedergeschrieben.
Hier die Sicht meiner Urgroßmutter auf die letzten Kriegstage in Überlingen im Jahr 1945.
Kriegserlebnisse: 1945
Nachdem wir schon Tage und Nächte
im Bunker verbrachten, kam am 24. April
gegen Spätnachmittag die Parole, dass der
Feind im Anmarsch sei. Ich war gerade
nochmals schnell Zuhause um meinen
treuen Alli nochmals ein Fressen zu geben.
Als ich schweren Herzens mein Heim
verließ, war schon die SS aufgestellt,
denn Überlingen sollte verteidigt werden,
ein Wahnsinn ohne Gleichen.
Mit Bangen saßen wir im Bunker,
die Kerzen brannten, es war finster.
Aber der liebe Herrgott war mit uns.
Der fanatische Ritterkreuzträger, welcher
die Verteidigung leitete, war bereits verwundet,
beherzte Männer haben die Panzersperre geöffnet,
Herr Karrer sprang
mit einem weißem Tuch durch
die Sperre und dadurch wurde die
Stadt gerettet. Aber es gab noch Unglück
genug. Das Museum hat gebrannt,
nebenan 2 Häuser , eins davon gehörte
dem Landwirt Steiger, welcher vor
2 Jahren die Frau im Kindbett verloren
hatte und einen Stall voll Kinder hat;
beide Häuser sind vollständig abgebrannt.
Das Spitalgebäude hat auch Einschüsse.
Polizeiwachtmeister Hini wurde erschossen,
In Andelshofen ein Junge von 10 Jahren
ebenfalls; der Wirt am Bad-Hotel …ein Mann vom
Elektrizitätswerk und ein 16-jähriger
Junge wurde verschleppt nach Südfrankreich.
So ungefähr um 1/2 8 Uhr waren
die Panzer dann vor unserem Bunker,
die Verwundeten vom Lazarett wurden
zuerst rausgerufen, dann durften wir
endlich; die Straßen voll von
Panzern! Haben sofort die weißen
Tücher und Fahnen raus gehängt.
Dann gings, dass die Haustüren bei
Tag und Nacht geöffnet seien,
es kamen 2 Soldaten, haben das
Haus von oben bis unten alles
durchsucht; einer war ein Marokkaner,
Alle Schubladen mussten
geöffnet werden, der Schwarze
hat nach Schmuck gesucht. Dann
mussten wir sofort die Radios und
Ferngläser abgeben. Wir bekamen
sofort 3 Mann Einquartierung,
mussten für sie putzen und
waschen, waren aber anständige
Menschen. Dann haben ...das Gegenteil.
Ich hatte gerade noch vor dem Einmarsch noch 190 Anzüge ins Lager bekommen, und dann ging es zu, kaum zu schildern; es waren ständig 60 - 70 Ausländer im Laden um zu kaufen und auch mehr. Jedenfalls haben 60 Anzüge gefehlt. Es war für eine Frau mit 60 Jahren schon bald mehr zu ertragen als möglich war. Es kam eine Russin, mit einem Franzosen mit aufgepflanzten Gewehr und musste ich das letzte Kleid, welches die Figur noch anhatte und zudem schon an ein Fliegergeschädigte verkauft war, sofort aus dem Fenster geben. Nach kaum 8 Tagen kam ein weiterer großer Schrecken; so nachmittags gegen 2 Uhr krachte es furchtbar. In der ehemaligen Sparkasse (zum braunen Haus gemacht worden) haben die Hitlerbande viel Munition untergebracht und dorthin mussten wir auch unser Radio bringen.
Jedenfalls durch Unvorsichtigkeiten fing die Munition zu brennen an. Es war entsetzlich, wieder flüchteten wir mit dem Nötigsten, es war ein Krach und Borsten man glaubte, alles fliege in die Luft. Ein Glück war, dass Ostwind war und es brannte nur das aller schönste Haus von Überlingen nieder und Cafe (?) stark beschädigt. Dann für mich eine weitere Aufregung; nachdem die Panzer direkt in den Schaufenster standen, so dass wie überhaupt nicht mehr aus dem Haus konnten, … die Rohre der Wasserleitung kaputt gemacht, so dass noch der Haus- gang aufgerissen werden musste, und so kam Eines nach dem Anderen. Bei uns rollten die Panzer und Autos Tag und Nacht Monate lang; erst jetzt so
Mitte August ist es in dieser Beziehung
etwas ruhiger geworden.
Die Villen im Westen und Osten
mussten von den Besitzern geräumt
werden; die Möbel etc. mussten
bleiben, es wurde viel geplündert
und demoliert. Die alte Frau …(?)
geht nicht mehr in ihre Villa zurück,
so sieht es .…aus; ebenso Oberzollamtmann Sieher(?) und Frau …
sind schon im Spital untergebracht …
Der jetzige Besitzer vom Schloss
Rauenstein durfte mit seiner Familie
nur die Mansarde bewohnen,
ist bald am Herzschlag gestorben.
Diese Zeilen schreibe ich für
meine Kinder zur steten
Erinnerung an ihre schöne
Heimatstadt.
geschrieben
im August 1945.
Eure Mutter